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Dr. Suzanna Randall möchte als erste deutsche Frau ins Weltall.

| Anja Rottke / VDE
29.08.2018

All-inklusive ins All

Die erste deutsche Astronautin im Weltall – das ist das Ziel von Dr. Suzanna Randall. Die energische junge Frau ist Astrophysikerin und forscht an der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Garching bei München. Sie versteht sich als "normales" Vorbild für alle, aber natürlich speziell auch für Mädchen und junge Frauen, die sich ihren (Berufs-)Traum erfüllen möchten - unabhängig von teilweise noch gängigen Geschlechterklischees.

Anja Rottke sprach mit ihr über ihren Kindheitstraum, die private Initiative „Die Astronautin“, den all-inklusive Flug zur ISS und über das Kochen.

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Anja Rottke

Astronautin - nicht nur ein Wunschtraum, sondern auch ein "ganz normales" Berufsziel

Warum haben Sie ausgerechnet Astrophysik studiert?

Ganz ehrlich - als 14-Jährige hat mich Physik zunächst nicht die Bohne interessiert. Was ich dagegen immer toll fand, war der Weltraum. Ich fand diese Fotos toll, diese tollen Farben, dieses Unendliche.

Was fasziniert Sie am Weltall?

Ich glaube, das ist eben dieses Unendliche, diese Unvorstellbarkeit. Der Weltraum – das ist für mich das ultimativ Unbekannte. Diese Weite hat mich immer gereizt, das Neue erforschen und einfach einen Schritt weitergehen, hinaus aus dem, was man kennt.

Was unterscheidet eine Astronomin von einer Astronautin?

Als Astronomen beobachten wir ja immer von Weitem. Das ist natürlich auch sehr interessant. Aber als Astronautin hat man eben die Möglichkeit, die Erde von außen zu betrachten und einfach mal einen ganz anderen Blickwinkel darauf zu haben.

Woher kommt ihr Wunsch, Astronautin werden?

Das war schon ein Kindheitstraum. Aber lange war das für mich immer der Astronaut, ich habe da gar nicht drüber nachgedacht, das war halt eine Playmobil-Figur - ein Mann. Als ich dagegen Sally Ride, die erste US-Amerikanerin im Weltraum, entdeckt habe, da ist der Funke übergesprungen: das hat etwas mit mir zu tun, das könnte ich auch machen. Die Frau wirkte sympathisch und normal, einfach jemand, wo ich gedacht habe, so könnte ich werden.

Wie kann man Astronautin werden?

Hier in Europa bewirbt man sich bei der Weltraumorganisation ESA und muss harte Auswahlprogramme durchlaufen. Für die rund 10.000 Bewerber gibt es am Ende 6 Plätze. Ich habe mich dort vor 10 Jahren beworben und bin leider nicht genommen worden. Es war einfach so, dass ich viel zu naiv an die Sache rangegangen bin, ich habe mich überhaupt nicht vorbereitet.

Ist die private Initiative „Die Astronautin“ nun Ihre zweite Chance?

Ja. Jetzt habe ich das komplett anders gemacht und habe wirklich Wochen lang gelernt. Die Tests sind den Pilotentests sehr ähnlich. Und ich hatte Erfolg. Ich freue mich sehr, zusammen mit Insa Thiele-Eich nun in der Endauswahl als erste deutsche Frau zu sein, die 2020 zur Internationalen Raumstation ISS fliegt. Wer von uns beiden tatsächlich fliegen wird, entscheidet sich kurzfristig.

Warum braucht man eine private Initiative, um 2020 eine Frau ins All zu bringen?

Um eine Deutsche ins All zu bringen! Bei der NASA wird schon darauf geachtet, dass 50 Prozent der Kandidaten Frauen sind. Und mit der Französin Claudie Haigneré und der Italienerin Samantha Cristoforetti gab es immerhin auch schon zwei europäische ESA-Astronautinnen. Dass das in Deutschland anders ist, und bislang noch keine einzige Frau dabei war, ist natürlich sehr, sehr schade.

Nur „schade“?

Es macht mich auch etwas wütend, wenn ich sehe, dass nichts dafür getan wird, dass auch Frauen ihre Chance bekommen. Es wird ja nicht aktiv verhindert, aber eben auch nicht proaktiv gefördert. Und das ist meiner Ansicht nach wichtig, um Diversität zu erlauben und zu nutzen. Als Jugendliche war ich noch total gegen eine Frauenquote, meinte, dass Frauen es auch so schaffen würden. Aber inzwischen glaube ich, dass wir eine Zeit lang solche Initiativen brauchen, bis sich Frauen auch auf solchen Positionen etabliert haben.

Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass die Initiative Erfolg hat?

Die Zeit ist auf jeden Fall reif dafür. Wir brauchen mit ca. 50 Millionen Euro eine Menge Geld, das Teuerste ist der Flug zur ISS. Hier ändert sich gerade der Markt zu unseren Gunsten, da private Anbieter wie SpaceX und Boeing die derzeitige Monopolstellung der Russen aufbrechen. Wir sind mit vielen Firmen und Investoren im Gespräch und ich bin sehr zuversichtlich, dass das etwas werden wird.

Also kommen die hohen Kosten vor allem durch den Transportflug zur ISS zustande?

Ja, wenn man einen Sitz in einer Raumfähre kauft, dann gehört auch die ISS-Zeit dazu. Es ist natürlich teurer, wenn man länger bleibt, wie bei einem Hotel. Das ist sozusagen all-inklusive, da ist die Fahrt dabei, der Aufenthalt und ein spezielles Emergency-Training für die ISS, damit wir uns im Notfall auch richtig verhalten.

Was wollen Sie konkret auf der ISS machen?

Es geht uns darum, dass wir dort nicht als Touristen hinfahren, sondern dass wir wirklich auch wissenschaftliche Forschung machen. Und Daten sammeln über den weiblichen Körper in der Schwerelosigkeit. Investoren werden uns entsprechende ISS-kompatible Experimente stellen. Und wir werden natürlich auch viel Education machen.

Zum Beispiel eine „Kochsendung von der ISS“?

Sie kennen vielleicht das Video von der ISS-Crew, die Pizza backt. Meine Nichten und Neffen fanden das toll, warum fliegt die Pizza rum? Und dann habe ich einfach spontan gedacht – eine Kochsendung – ist doch super. Das kann man ja auch als Education-Event perfekt verpacken, warum darf es nicht krümeln, auf was muss man besonders achten?

Eine kochende Astronautin – wie waren die Reaktionen auf Ihren Facebook-Post?

Ich habe gar nicht darüber nachgedacht, hier irgendwie auf eine „Frauen-Schiene“ zu geraten. Bei uns kochen immer alle. Das ist mir erst durch die Kommentare aufgefallen, als die Leute, übrigens hauptsächlich Männer, meinten, dass ich hier ein Klischee bediene. Für mich ist Kochen einfach ein Hobby. Ob es jetzt Kochen oder Gleitschirmfliegen ist – ich mache beides gerne. Ich will einfach was Alltägliches zeigen, weil es lustig ist, etwas, was jeder kennt, in der Schwerelosigkeit zu machen.

Sie verstehen sich als Role-Model gerade auch für Mädchen?

Es geht mir vor allem darum, dass im Weltraum grundsätzlich Frauen sind, auch aus Deutschland. Ich möchte zeigen, ich bin jetzt hier und wir machen hier oben ganz normale Sachen, wir kochen, wir machen unsere wissenschaftlichen Experimente und das ist einfach normal. Alle sollen ihren Neigungen folgen. Wenn ein Mädchen Pilotin oder Astronautin werden will, ist das super. Wenn sie kochen mag, ist das auch super. Am Ende sollte das Interesse ausschlaggebend sein. Aber dieses muss erst geweckt werden. Wenn irgendwo nur Männer sind, dann kommt es mir als Mädchen oder Frau nicht unbedingt in den Sinn, dass das für mich eine attraktive Perspektive wäre. In der Medizin z.B. wird keiner mehr sagen „Ärztin“, das ist ja komisch. Aber als Astrophysikerin kriege ich das manchmal zu hören. Beim Girls Day kam einmal ein Mädchen und sagte „Super, ich dachte immer, ich kann das nicht. Aber du bist ja auch nicht viel größer als ich und du bist ja ganz normal.“ Das wollen wir auch mit unserer Initiative „Die Astronautin“ erreichen.